Als Habitatbaum werden Bäume mit besonderen Strukturen, den sog. "Baummikrohabitaten" bezeichnet. Sie werden von vielen, teilweise hochspezialisierten Arten genutzt und stellen wichtige Zufluchts-, Brut-, Überwinterungs- und Nahrungsstätten für eine Vielzahl von Arten dar. Die Vielfalt an Baummikrohabitaten ist groß und reicht von Höhlen über Kronentotholz und Stammverletzungen hin zu Überwucherungen und besonderen Wuchsformen.
Das FFH-Gebiet 114 "Ith" dient unter anderem dem Erhalt und der Entwicklung der Waldlebensraumtypen "Mesophiler Buchenwald" (LRT 9130), "Orchideen-Kalk-Buchenwald" (LRT 9150) und "Schlucht- und Hangmischwälder" (LRT 9180). In einem guten Erhaltungszustand zeichnen sich diese Lebensräume durch eine große Anzahl von lebenden Habitatbäumen und liegendem wie stehendem Totholz aus. Doch die Schutzfunktion ist nicht der einzige Anspruch, der an unsere Wälder gestellt wird. Holz als Energieträger und Rohstoff bleibt weiterhin gefragt und so gilt es die verschiedenen Interessen an die Nutzung des Waldes zu harmonisieren. Hierzu dient neben anderen Maßnahmen die Ausweisung von Habitatbaumgruppen, die dauerhaft aus der Nutzung genommen werden und Refugien für zunehmend selten werdende holzbewohnende Arten bilden. Für eine optimale Auswahl von Habitatbaumgruppen sind Informationen über die Verbreitung alter Bäume mit wertvollen Mikrohabitaten erforderlich. Die ÖNSOW widmet sich in einem ihrer ersten Projekte dieser Erfassung von Habitatbäumen und starkem Totholz im FFH-Gebiet "Ith".
Die Kartierung wird in den Wintermonaten zwischen Laubfall und -austrieb der Buche durchgeführt, wenn der Blick in die Baumkronen unversperrt möglich ist. Hierfür wurde zunächst ein Kriterienkatalog erarbeitet, anhand dessen die Entscheidung über die Einstufung als Habitatbaum erfolgt. Denn nicht jedes Stück abgeplatzter Rinde qualifiziert einen Baum als besonders schützenswert. Die wertvollsten Habitatbäume sind über 100 Jahre alt und weisen eine Vielzahl von Mikrohabitaten auf. Denn viele Arten kommen lediglich auf ganz bestimmten Habitaten vor. Je größer die Vielfalt, desto besser. So halten die Mitarbeitenden der ÖNSOW bei der Kartierung besonders nach Pilzkonsolen, Specht- und Mulmhöhlen, tiefen Spalten, Großvogelnestern und mächtigen Totholz-Ästen Ausschau.
In Zukunft hofft die ÖNSOW auf eine enge Kooperation mit den Waldeigentümern im Ith. Denn für eine langfristige Sicherung müssen die Bäume natürlich sichtbar gekennzeichnet sein. Nur so ist ein finanzieller Ausgleich für den Verzicht auf Bewirtschaftung möglich. In Zusammenarbeit der Waldeigentümer, der unteren Naturschutzbehörden und der Ökologischen Station sollen zukünftig Belange der Arbeitssicherheit und Wirtschaftlichkeit mit dem Anspruch an möglichst vielfältige und vernetzte Habitatbaumgruppen vereint werden.
Unterschutzstellung von Natura 2000-Gebieten im Wald durch Naturschutzgebietsverordnung (Walderlass). Gem. RdErl. D. MU u. d. ML v. 21.10.2015. Fundstelle: Nds. MBl. 2015 Nr. 40, S. 1300.
Taschenführer der Baummikrohabitate – Beschreibung und Schwellenwerte für Feldaufnahmen. Bütler, R.; Lachat, T.; Krumm, F.; Kraus, D.; Larrieu, L., 2020. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt WSL. 59 S. Downloadlink